RINGEN, LERNEN, SIEGEN: „Rostis“ Formel für Olympia 2028

Rostislav „Rosti“ Leicht (*2004) kämpft jeden Tag. Gegen Gegner auf der Matte, gegen die Waage vor dem Wettkampf und lange Zeit gegen die Bürokratie. Der EM-Dritte musste jahrelang zusehen, wie andere Medaillen holten, weil ihm der deutsche Pass fehlte.
Nach einem gescheiterten Versuch im Bauingenieurwesen studiert er heute Sport und angewandte Trainingswissenschaften an der DHGS. Wir sprachen mit ihm über Disziplin, 50 Gramm, die über Sieg oder Niederlage entscheiden, und warum Flexibilität der einzige Weg nach Olympia 2028 ist.
4 Jahre Wartezeit: Trainieren ohne Ziel
Laura Geck: Rosti, dein Weg in den Nationalkader war extrem steinig. Er begann weit weg von hier, richtig?
Rostislav Leicht: Ja, ich komme ursprünglich aus Kasachstan. Dort ist Ringen Volkssport. Mit sechs Jahren hat mich meine Schwester ins Training gebracht – und ich bin geblieben. Ich war dort schon kasachischer Meister im Kadetten-Bereich. Als ich 14 war sind wir nach Deutschland gezogen.
Laura Geck: Und hier wurdest du erst einmal komplett ausgebremst.
Rostislav Leicht: Das Problem war der deutsche Pass. Es hat fast vier Jahre gedauert, bis ich ihn hatte. Das waren vier Jahre, in denen ich nur trainieren durfte, aber an keiner einzigen Meisterschaft teilnehmen konnte.
Laura Geck: Vier Jahre Training ohne Wettkampf – wie hält man diese Motivation aufrecht?
Rostislav Leicht: Es war eine sehr schwere Zeit. Wir wohnten in einer kleinen Stadt ohne Ringer-Verein. Wir mussten immer in andere Städte fahren, teilweise bis zum Stützpunkt nach Nürnberg – das sind 80 Kilometer einfache Strecke. Meine Eltern sind mit mir damals wirklich jeden Tag mindestens 100 Kilometer gefahren, nur damit ich trainieren konnte.
Da überlegt man schon: Lohnt sich das? Ich darf nirgends starten, der Pass ist nicht da… Aber als der Pass endlich kam, wusste ich: Es hat sich gelohnt. Bei meiner ersten Deutschen Meisterschaft wurde ich sofort Dritter.
50 Gramm entscheiden über alles…
Laura Geck: Ringen gilt als eine der härtesten Sportarten der Welt. Außenstehende unterschätzen oft den Kampf vor dem Kampf: das Gewichtmachen. Wie extrem ist das bei dir?
Rostislav Leicht: Das ist eine Grenzerfahrung. Mein Normalgewicht liegt bei ca. 76 Kilo, für die WM musste ich auf 70 runter – in zwei Wochen. In der ersten Woche streiche ich Zucker und Süßigkeiten komplett. In der letzten Woche arbeite ich dann extrem mit dem Schwitzanzug und der Sauna. Man verliert dann viel Wasser und wird leichter.
Laura Geck: Wie genau nimmt man es da bei der Waage?
Rostislav Leicht: Extrem genau. Wenn die Waage 70,05 kg anzeigt, bist du disqualifiziert. Wegen 50 Gramm. Das ist purer Stress am Tag des Wiegens. Du wiegst dich abends, kalkulierst, dass du über Nacht 500 Gramm verlierst, isst und trinkst nichts mehr. Du musst deinen Körper perfekt kennen. Und wenn du dann auf der Matte stehst, musst du topfit sein.

Das alte System funktioniert nicht
Laura Geck: Dieser extreme körperliche Einsatz fordert Tribut. Du hattest zwei Knie-OPs in kurzer Zeit. Das war der Moment, wo dein erster Studien-Versuch scheiterte?
Rostislav Leicht: Ja. Ich hatte nach dem Abi angefangen, Bauingenieurwesen an einer staatlichen Hochschule zu studieren. Dann kamen die Knie-OP’s. Ich fehlte einen Monat, verpasste extrem viel Stoff. Dann die zweite OP. Ich versuchte, alles nachzuholen, sieben Prüfungen in einem Semester… es ging einfach nicht. Der Stoff war zu schwer, um ihn neben dem Leistungssport und der Reha „nebenbei“ zu machen. Ich musste mir eingestehen: Dieses System funktioniert für mich nicht.
Laura Geck: Heute studierst du an der DHGS. Was ist der entscheidende Unterschied?
Rostislav Leicht: Es ist die perfekte Lösung. Ich studiere jetzt Sport und angewandte Trainingswissenschaften.
Erstens: Ich lerne etwas, das ich als Athlet direkt verstehe und für meine Zukunft als Trainer brauche.
Zweitens: Das semi-virtuelle Modell rettet mich. Ich kann morgens trainieren, dann lernen, abends wieder trainieren. Ich muss nicht jeden Tag in einem Hörsaal sitzen.
Laura Geck: Spielt die finanzielle Unterstützung dabei auch eine Rolle?
Rostislav Leicht: Absolut. Das DHGS-Stipendium ist extrem hilfreich. Als Ringer wird man nicht reich, und die Sporthilfe allein reicht oft nicht aus. Das Stipendium nimmt mir den Druck, sodass ich mich auf den Sport konzentrieren kann.

Alles für den einen Moment
Laura Geck: Du hast die Hürden des Passes überwunden, die Verletzungen und das unpassene Studium hinter dir gelassen. Was ist jetzt das große Ziel am Horizont?
Rostislav Leicht: Ganz klar: Olympia 2028 in Los Angeles.
Laura Geck: Ein langfristiges, großes Ziel!
Rostislav Leicht: Ja, drei Jahre. Die Konkurrenz in Deutschland ist groß, man muss sich erst qualifizieren. Aber ich weiß jetzt, dass ich das richtige Umfeld habe.
Ich kann studieren, ohne meinen Sport zu opfern, und ich kann trainieren, ohne meine Zukunft zu verbauen. Jetzt muss ich es nur noch auf der Matte beweisen.
Laura Geck: Das ist ein sehr starkes Schlusswort, Rosti. Vielen Dank für diese ehrlichen und tiefen Einblicke in deinen Alltag – wir wünschen dir maximale Erfolge auf dem Weg nach Los Angeles 2028!

Autorin
Laura Geck
Mitarbeitende für Kommunikation & Events
Laura verbindet redaktionelles Feingefühl mit einem Blick für wirkungsvolle Kommunikation. Ob für Marketingkampagnen, Blogbeiträge oder Events – sie sorgt dafür, dass aus Ideen lebendige Inhalte werden. Neben ihrer Arbeit widmet sie sich mit viel Motivation ihrem Psychologiestudium, sammelt Reiseerlebnisse rund um die Welt und probiert mit Begeisterung jede außergewöhnliche Eissorte, die ihr begegnet.
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